
Wenn Gäste in einem klassischen Restaurant eine Speisekarte studieren und dort „Steak Rossini“ oder „Fisch Doria“ lesen, dann klingt das erstmal ziemlich elegant – aber nur wenige wissen, was sich dahinter genau verbirgt. Daher ist es umso wichtiger, die klassischen Garnituren nicht nur zu kennen, sondern auch zu verstehen:
- Welche Rohstoffe sind typisch?
- Welche Zutatenmerkmale sind Pflicht?
- Und: Wie wurde diese Garnitur eigentlich geboren?
Denn eines ist sicher: Eine „Rossini-Garnitur“ ohne Gänseleber ist wie ein Wiener Schnitzel ohne Panade – schlichtweg ein Fauxpas.
1. Einführung: Was ist überhaupt eine Garnitur?
Der Begriff „Garnitur“ stammt ursprünglich aus dem Französischen und bedeutet so viel wie „Ausschmückung“ oder „Ausstattung“. In der Küche beschreibt er die klassisch festgelegte Zusammenstellung von Beilagen, Zutaten und Zubereitungsarten, die ein Gericht charakterisieren.
Das ist wichtig, weil:
- Sie verleiht dem Gericht eine geschmackliche Signatur.
- Sie sorgt für Wiedererkennbarkeit: Wer „à la Bordelaise“ bestellt, erwartet Rind mit Mark, Champignons und Sauce Bordelaise – weltweit!
- Sie hat auch eine didaktische Funktion: Azubis lernen, wie Zutaten harmonisch kombiniert werden.
Man könnte sagen: Garnituren sind die klassischen Rezeptelemente der Haute Cuisine, die sich über Jahrhunderte etabliert haben.
2. Fachliche Systematik – Warum Garnituren wichtig sind
In der Ausbildung zur Köchin oder zum Koch gehört das Thema „klassische Garnituren“ zum Pflichtstoff. Prüfer fragen hier gern, weil:
- Fachwissen über Garnituren zeigt die kulinarische Allgemeinbildung.
- Garnituren haben einen starken Bezug zur Warenkunde (Wild, Fisch, Gemüse, etc.).
- Sie trainieren die Geschmacksbalance: süß, salzig, sauer, bitter und umami finden sich hier oft kombiniert.
Darüber hinaus sind Garnituren ein Paradebeispiel für die Verbindung von Küche und Service: Gäste erkennen an den Bezeichnungen, welche Art von Gericht sie erwartet.
3. Eine kleine Übersicht der Garnituren
Garniturbezeichnung | Zu Rohstoffen | Wichtige Zutaten & Merkmale | Fachhinweis / Moderne Anwendung |
---|---|---|---|
Bäckerin Art | Lamm, Hammel, Schwein | Rohe Kartoffelscheiben, Zwiebelringe, Jus, geschmort | Klassiker der bäuerlichen Küche, heute oft als „Kartoffelgratin-Variation“ interpretiert. |
Baden-Baden | Wild | Pfifferlinge, Mandelbällchen, gefüllte Kompottbirne mit Preiselbeeren | Typisch für die Jagdregion Schwarzwald; süß-sauer Spiel beachten. |
Berliner Art | Kalbsleber | Gebratene Apfelringe, Röstzwiebeln, Jus, Kartoffelpüree | Perfektes Beispiel für süß-herzhaft. Fehler: Apfel zu süß wählen. |
Bordelaise | Rind | Schlosskartoffeln, Champignons, Rindermark, Sauce Bordelaise | Ursprünglich aus Bordeaux (Rotwein-Sauce). Mark muss frisch sein, sonst bitter. |
Chipolata | Geflügel | Chipolata-Würstchen, Maronen, Perlzwiebeln, Speck, Pariser Kartoffeln | Heute oft als Weihnachtsgarnitur. Chipolata = feine Bratwurst. |
Colbert | Seezunge | Spezielles Filetieren, paniert, Colbertbutter (mit Kräutern und Zitrone) | Typische Fischgarnitur des 19. Jh. |
Cordon bleu | Kalb | Gefüllt mit Schinken & Käse, paniert | Weltweit bekannt, oft mit Schwein gemacht (eigentlich „falsch“). |
Deutsche Art | Gemüse | Steckrüben, Porree, Kohlrabi, Spinat; Béchamel | Typisch deutsche Hausmannskost. Heute gern als Gratins serviert. |
Doria | Fisch (gebraten) | Gurken (tourné), Zitrone, frische Kräuter | Klassische Garnitur für Seezunge; Gurke oft missachtet. |
Dubarry | Kalb | Blumenkohl, Mornaysauce, Käse gratiniert | Benannt nach Gräfin Dubarry; Blumenkohl darf nicht verkocht sein. |
Englische Art | Gemüse | Nach dem Garen in Butter schwenken | Einfach, aber effektiv; zeigt „englische Schlichtheit“. |
Flämische Art | Rind (gekocht) | Grobes Wurzelgemüse, Weißkohl, Brühkartoffeln | Rustikale Garnitur, nahe am Eintopf. |
Florentiner Art | Fisch, Geflügel, Eier, Fleisch | Blattspinat, Mornaysauce | „Florentinisch“ = fast immer mit Spinat. |
Försterin Art | Wild | Morcheln, Speck, Nusskartoffeln | „Waldnote“ durch Pilze und Speck. |
Französische Art | Gemüse | Fond mit Beurre manié leicht binden | Leichte Bindung, cremig ohne Sahne. |
Gärtnerin Art | Fleisch | Bukett von frischem Gartengemüse | Heute gern saisonal interpretiert (Spargel, Babykarotten). |
Hausfrauen Art | – | Erbsen, Karotten, Bohnen, Kartoffelwürfel, Speck | Einfache Garnitur, „Eintopf-Style“. |
Holsteiner Art | Kalb | Spiegelei, kleine Fisch-Canapés, Gemüse | Spannende Kombination „Land & Meer“. |
Jägerart | Wild | Pilze, Tomatenwürfel, Jägersauce | Klassiker der deutschsprachigen Gastronomie. |
Kardinals Art | – | Mit Krabben, Krebssauce überzogen | „Kardinal“ = oft mit Krustentieren. |
Maître d’hôtel | Rind | Kräuterbutter | Simpel, aber wichtig. Heute Basis für Steakhäuser. |
Mailänder Art | Kalb | Pökelzunge, Schinken, Champignons, Trüffel, Parmesan, Tomatensauce | Sehr reichhaltig, typisch italienische Note. |
Mirabeau | Rind (gebraten) | Sardellenstreifen, Oliven | Stark salzig – nicht übertreiben! |
Müllerin Art | Fisch (gebraten) | Butter, Petersilie, Zitrone | Ein Klassiker für Forelle. |
Orly | Gemüse, Fisch | In Bierteig gebacken, Tomatensauce | Typische französische Streetfood-Variante. |
Rossini | Rind / Tournedos | Gänseleber, Trüffel, Madeirasauce, Croûtons | Hommage an den Komponisten Rossini; nur mit Luxusprodukten authentisch. |
Saltimbocca | Kalb | Belegt mit Schinken & Salbei | Übersetzt: „Spring in den Mund“. Klassiker der römischen Küche. |
Savarin | Fleisch | Krustade gefüllt mit Trüffel-/Krebs-Salpicon, Demiglace, Spargelspitzen | Sehr aufwendig, heute selten. |
Soubise | Lamm | Zwiebelmus | Cremige Zwiebelbasis, sehr mild. |
Tiroler Art | Rind | Frittierte Zwiebelringe, Tomatenwürfel | Rustikal und deftig. |
Toulouser Art | Geflügel | Ragout im Pastetengehäuse | Typisch französisch, oft mit Pilzen & Geflügelragout. |
Wellington | Rind, Kalb | In Blätterteig, mit Duxelles & Trüffelsauce | Weltberühmt – hoher Schwierigkeitsgrad. |
Wiener Art | Kalbsschnitzel | Zitronenscheibe, Kaper, Sardelle | Klassiker neben dem echten „Wiener Schnitzel“. |
Zigeuner Art | Rind, Schwein, Geflügel | Paprikastreifen, Tomatensauce (früher: Schinken, Champignons, Trüffel) | Heutzutage meist „Paprikasauce“ – historisch oft missverstanden. |
4. Moderne Bedeutung und Trends
Viele dieser Garnituren stammen aus der klassischen französischen Küche des 18. und 19. Jahrhunderts. Heute sind sie nicht mehr überall in der Praxis gebräuchlich, aber:
- In Prüfungen sind sie Standardstoff!
- In klassischen Restaurants ( z.B. Gourmetküche) werden sie sehr oft verwendet.
- Moderne Küche interpretiert sie neu, z. B. „Saltimbocca vom Zander“ oder „Wellington vegetarisch“.
5. Fehler, die Azubis vermeiden sollten
- Zutaten weglassen oder ersetzen.
- Überwürzen (Mirabeau darf nicht salziger als das Mittelmeer schmecken).
- Garnituren verwechseln (Florentiner Art ist immer mit Spinat!).
6. Zusammenfassung
Garnituren sind wie kulinarische Visitenkarten: Sie tragen Kultur, Geschichte und Handwerk in sich. Wer sie kennt und versteht, hat in der Gastronomie nicht nur fachliches Wissen, sondern auch Gesprächsstoff mit Gästen.